
Edel-Mut MLK 2025
Edel-Mut
Das Mercedes-Flachkühler-Coupé mit V8 und der Maserati Mexico entziehen sich gängigen Maßstäben. Am besten taucht man in die mondäne Luxus-Welt längst vergangener Zeiten ein und lässt sich treiben. Wohin? Nun, das Fazit ist so subjektiv wie eindeutig.
Namen sind bekanntlich Schall und Rauch, wobei wir am besten mit dem Schall beginnen. Dumpf fällt die Fahrertür des Maserati in ihr Schloss, man taucht ein in eine vom Licht durchflutete Kathedraleder Automobilbaukunst. Die Strahlen der heißen Sommersonne brechen sich im Lack des Armaturenbretts, bringen die in Chromeinfassungen gebetteten acht Rundinstrumente zum Funkeln, tanzen über die Armada von Kippschaltern, die oberhalb der mächtigen Mittelkonsole angeordnet sind, welche die Fahrgastzelle in zwei lauschige Separees unterteilt. Über 30 Grad zeigt das Thermometer, doch die Gluthitze bleibt draußen, da die serienmäßige Klimaanlage eine kühle Brise in den Innenraum fächelt, wie man sie von abendlichen Spaziergängen an der Mittelmeerküste kennt. Das Raumgefühl ist hervorragend, auch auf den beiden Rücksitzen bietet der Mexico leidlich Platz. Vorne kann man es sich auf ausladenden, bequemen Ledersesseln bequem machen, die Sitzposition ist tief, das Lenkrad steht steil. Es ist angerichtet für die große Fahrt, am liebsten würden wir von unserem Treffpunkt in Köln aus direkt ins Tessin und weiter an die Adria reisen. Zwei Tanks mit zusammen 100 Liter Fassungsvermögen machen diesen Maserati zum Symbolbild des mondänen Tourenwagens, zu einem Gesamtkunstwerk, kaum weniger eindrucksvoll als ein prächtiges Renaissance-Fresko.
Ein Fest für die Sinne
Man startet sein Triebwerk nicht, man orchestriert die Ouvertüre. Ein Dreh am Zündschlüssel, der Anlasser sirrt, und es dauert einen Augenblick, bis das Gemisch in den acht Brennräumen mit einem Paukenschlag zündet. Es ist ein rauchiges, sonores Timbre, das nun aus dem Bug grollt. Verhalten, fast ehrfürchtig tippt man das Gaspedal an. Der V8 faucht los wie eine Wildkatze, verfällt dann in dumpfen Leerlauf, wirkt plötzlich wieder ruhig und souverän wie jemand, der nichts mehr beweisen muss. Er muss es tatsächlich nicht, darf sich seines Ruhms gelassen bewusst sein. Sein Triebwerk geht in direkter Linie über jenes des 5000 GT auf das des fast mystisch verklärten Rennsportwagens 450 S mit klassischer Maserati-Doppelzündung zurück. Der Mexico hat indes nur eine Zündkerze pro Brennraum, wirkt daher weniger exaltiert, aber kaum minder faszinierend.
Der erste Gang ist drin, straff kommt die gut dosierbare Kupplung, geschmeidig setzt sich der Mexico in Bewegung. Es hat etwas Majestätisches, den bleistiftdünnen, von einem filigranen Holzknauf gekrönten Schalthebel des serienmäßigen ZF-Fünfganggetriebes über knackig-kurze, exakte Wege durch die Schaltkulisse zu dirigieren und das nuancenreiche Klangbild des Maserati zu genießen. Er fährt sich verblüffend spielerisch, brüllt je nach Laune seines Fahrers mal wild und ungestüm, gibt sich dann wieder ganz als zurückhaltender Gentleman im Brioni-Anzug. Die Durchzugskraft des 4,2-Liters ist verblüffend, schaltfaules Fahren quittiert er mit stoischer Gelassenheit, gelegentliche Zwischenspurts mit gänsehautverdächtigem Sound, bei dem man sich ein Lächeln nicht verkneifen kann. Die gut dosierbaren Bremsen und die feinfühlige Servolenkung tun ein Übriges, um den Fahrspaß perfekt zu machen. Beim Foto- Modell wurde sie nachgerüstet, ab Werk gab es sie einst optional.
Mystizismus à la Maserati
Doch es ist nicht bloß das Fahrerlebnis, das den Mythos Maserati nährt. Die Marke und ihre Modelle umgibt zudem eine Aura des rätselhaft Nebulösen, wie auch den Mexico. Nachdem die Modeneser Firma mit 3500 GT, GTI und Sebring erste Erfolge in der Kleinserienproduktion hochkarätiger Gran-Turismo- Wagen zur Aufbesserung der notorisch heiklen Finanzlage gefeiert hatte, debütierte 1963 neben dem Mistral mit dem Quattroporte die erste Limousine mit Dreizack. Gewissermaßen als Zwitterwesen aus Limousine und GT soll die Mannschaft um Chefingenieur Giulio Alfieri zudem den Mexico ersonnen haben. Die Verwandtschaft symbolisiert bereits das Motor-Typkürzel, denn AM 107 war sowohl die Bezeichnung für den Quattroporte selbst als auch für seinen 4,2-Liter-V8. Die 4,7-Liter- Version des Mexico mit 290 PS wiederum trägt die Chiffre AM 107/1, der Motor kam aber bereits ab Ende 1965 im Quattroporte zum Einsatz. Um Namen und Entstehungsgeschichte ranken sich weitere Legenden. Der auf dem Pariser Salon 1966 präsentierte Mexico gehe, so heißt es, auf einen verunfallten 5000 GT zurück, der 1965 im Werk auf einem verkürzten Quattroporte-Fahrgestell mit einer von Giovanni Michelotti für Vignale entworfenen Karosserie neu aufgebaut worden war. Dieser Prototyp wurde 1965 als Maserati 5 Litri auf dem Turiner Salon gezeigt und dann an seinen Auftraggeber in Mexiko ausgeliefert. Andere Quellen wiederum erwähnen zusätzlich noch einen Bertone-Prototyp. Folgt man der offiziellen Maserati- Lesart, erhielt der Mexico – anders als zuvor der Sebring oder später der Indy – seinen Namen tatsächlich nicht von einem Rennerfolg, genauer gesagt einer Rennstrecke in einem bestimmten Land, sondern weil besagter 5-Liter-Prototyp bereits an niemand Geringeren als den mexikanischen Präsidenten Adolfo López Mateos verkauft war, der ihn nach der Premiere in Turin erhalten habe. Nur zufällig, gewissermaßen als Krönung, habe John Surtees 1966 die Formel-1-Saison mit einem Sieg beim Grand Prix von Mexiko am Steuer eines Cooper-Maserati T81 abgeschlossen. Als Einzelstück gestaltete Giorgio Giugiaro 1967 schließlich den Simun auf Basis eines Mexico 4200, zudem sind mindestens zwei Frua-Entwürfe bekannt. Auf Kundenwunsch soll überdies ein Mexico mit dem 4,9-Liter-V8 aus dem Ghibli SS, ein weiterer mit dem 3,7-Liter-Reihensechszylinder aus dem Sebring respektive Mistral bestückt worden sein. 300 Serienversionen befeuerte Maserati zufolge der 4,2-Liter-V8, 182 die 4,7-Liter-Version.
Harmonisch und fein austariert
Während der Maserati der Inbegriff von Grandezza ist, schöpft der Mercedes seinen Reiz aus stilistischer Harmonie. Anlässlich der Premiere des W-111-Coupés am 24. Februar 1961 in Gestalt des 220 SE konstatierte Auto-Motor und Sport, der Wagen beziehe „seine Wirkung aus der Ordnung des harmonisch Gegliederten“ – nüchtern, aber treffend formuliert. Während man dem Maserati am liebsten den roten Teppich ausrollen möchte, damit er selbst ins Blitzlichtgewitter eintauchen kann, ist der Mercedes ein zurückhaltender Star, mit dem man gediegen vorfährt, um sich lieber den Schlag öffnen zu lassen. Im Vergleich zur Heckflossen-Limousine legten die Ingenieure das Coupé durch eine geänderte Fahrwerkseinstellung um 25 Millimeter tiefer, während der Radstand gleichblieb. Mit zusätzlichen seitlichen Versteifungen in der Rahmen- Boden-Anlage begegneten sie zugleich dem Problem, dass das filigrane Dach weniger stark zum Mittragen der Karosserie herangezogen werden konnte. Es scheint auf den üppigen Flanken zu schweben, als sei es bloß sachte aufgelegt worden, keine B-Säulen stören die Eleganz. Die weit ins Dach reichende Panorama-Heckscheibe kaschiert auch die C-Säulen perfekt, doch die Form folgt auch der Funktion, denn die großen Glasflächen verbessern die Rundumsicht und erfüllen damit eine sicherheitsrelevante Aufgabe.
Eleganz in Vollendung
Zugeschrieben wird der Jahrhundertentwurf Paul Bracq, damals unter Mercedes- Benz-Stilistik-Chef Friedrich Geiger einer der aufstrebenden Stars unter den Automobildesignern. „Das W-111-Coupé hat den Mercedes-Stil der Zukunft vorgegeben“, so Bracq. Von ihm aus sei es nur ein logischer Schritt zur Pagode, dem W 113, gewesen, der 1963 debütierte. Bei der Produktion des viersitzigen Coupés und des ab August 1961 parallel produzierten Cabrios ist noch viel Handarbeit im Spiel. Kein Blechteil der Heckflossen-Limousine passt; wie beim Konkurrenten aus Modena adelt den Mercedes seine Manufakturqualität. Alles an ihm wirkt wie aus dem Vollen, die vorderen Sitze erinnern an die Üppigkeit von Chesterfield-Sesseln, der Chromzierrat an die barocke Pracht erlesenen Tafelsilbers. Er ist mehr behagliche Wohnlandschaft als Edel-Lounge wie der Maserati. Als die Heckflossen-Limousinen im August 1965 von der neu entwickelten Oberklasse-Baureihe W 108/109 abgelöst werden, bleiben die Coupés und Cabrios im Programm. Neben neuen Motorvarianten werden 14-Zoll-Räder, größere Scheibenbremsen und eine hydropneumatische Ausgleichsfeder an der Hinterachse eingeführt. Eine für 1967 avisierte Neuauflage wird ad acta gelegt, denn wenn sich kein besserer Entwurf finden lasse, meint der Vorstand, müsse man eben „auf eine wirkliche Neuentwicklung auf dem Coupé-Sektor warten“. Eine weise Entscheidung, an der auch die einzige nennenswerte Design-Änderung anlässlich der IAA im September 1969 nichts ändert. Denn mit dem neuen, niedrig bauenden V8 kommt der sogenannte Flachkühler. Der Motor ist mit 225 Kilo nur rund 13 Kilo schwerer als der weiterhin produzierte 2,8-Liter-Sechszylinder, und da seine elektronisch gesteuerte Einspritzung ohne Einspritzpumpe auskommt und damit nicht zuletzt die teure Achtstempelpumpe überflüssig macht, können die Ansaugrohre zwischen den Zylinderköpfen platziert werden. Das Resultat: eine niedrigere Bauhöhe als beim Sechszylinder, eine um 70 Millimeter flachere und 100 Millimeter breitere Kühlermaske sowie eine um 14 Millimeter höher angesetzte vordere Stoßstange.
D wie Druck und Drehfreude
Machen wir es uns also endlich auf dem Fahrersessel bequem und drehen den Zündschlüssel um. Anders als beim Maserati läuft der Startvorgang eher unspektakulär ab, präzise wie ein Uhrwerk verrichten Einspritzung und Transistorzündung ihren Dienst. Das Bosch-System basiert auf einem Patent der Firma Bendix, sein Debüt erlebte es in der US-Version des VW 1600. Für den Mercedes-V8 wird die Technik weiterentwickelt und „D-Jetronic“ getauft, da sie auf den Druck im Saugrohr reagiert. Der Motor ist ein extremer Kurzhuber, bis 6500/min darf er gedreht werden. Sein Klang ist von metallischer Schärfe, er jubiliert turbinenartig hoch, fast fühlt man sich hinterm Steuer wie in einem Maschinenraum. Zwar beschworen die Marketingstrategen das Durchzugsvermögen und die Laufruhe, doch bestand Entwicklungschef Rudolf Uhlenhaut darauf, die Innenseite der Motorhaube mit einer dicken Dämmmatte zu versehen, um bei hohen Drehzahlen das Geräuschniveau zu zügeln. Mit der optionalen Vierstufen-Automatik, wie im Foto-Modell, stößt man ohnehin nicht in solche Sphären vor. Sie ist auf frühes Hochschalten ausgelegt und bremst die beeindruckende Drehfreude, ein Kritikpunktauch in damaligen Tests. Mit Viergang- Schaltgetriebe wirkt das Coupé deutlich behänder, Fünfgang-Optionen waren angedacht, wurden aber leider verworfen. So gleitet man im opulenten Flachkühler- Coupé so gelassen dahin wie in einem mondänen Chalet auf Rädern, abgeschottet vom Lärm und der Hektik der Außenwelt, den imposanten Stern auf dem Kühler stets im Blick. Reife kann nicht minder betörend sein als Exotik. Und das Rollenfach des ewig jungen Casanovas hat ohnehin schon der Maserati glänzend besetzt.
Daten Und Fakten
Mercedes-Benz 280 SE 3.5 Coupé, W 111 E 35/1, Baujahr 1970
Motor
Typ M 116 E 35, wassergekühlter V8 (90 Grad), vorn längs, Bohrung x Hub 92 x 65,8 mm,
Hubraum 3499 cm³,
Leistung 200 PS bei 5800/min, max. Drehmoment 287 Nm bei 4000/min, Verdichtung 9,5 : 1, zwei Ventile je Brennraum, betätigt über je eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle je Zylinderreihe und Schlepphebel, Motorblock aus Grauguss,
Zylinderköpfe aus Leichtmetall, fünf Kurbelwellenlager, elektronisch geregelte Saugrohreinspritzung Bosch D-Jetronic, Transistorzündung, Ölinhalt Motor anfangs 6,5, später 7,5 l
Kraftübertragung
Einscheiben- Trockenkupplung, Viergang- Schaltgetriebe (a. W. Vierstufen- Automatik), Hinterradantrieb
Karosserie und Fahrwerk
Rahmenbodenanlage, selbsttr. Karosserie, vorne Doppel-Querlenker- Achse, Schraubenf., Gummi- Zusatzf., Stabilisator, hinten Eingelenk- Pendelachse, Schubstreben, Schraubenfedern, Gummi-Zusatzf., hydropneum. Niveauregulierung, v./h. hydr. Teleskop-Stoßd., Kugeluml.-
Servol., Scheibenbr., Felgen 6 J x 14 HB, Reifen 185 V o. VR 14
Masse und gewichte
Radst. 2750 mm, Spur v./h. 1482/1485 mm, L x B x H 4905 x 1845 x 1410 mm, Gewicht 1570 kg, Tank 82 l
Fahrleistungen und verbrauch
Vmax 210 km/h, Beschl. 0 bis 100 km/h in 9 s, Verbrauch ca. 15 l/100 km
Bauzeit und Stückzahl
1969 bis 1971, 3270 Exemplare
Daten Und Fakten
Maserati Mexico 4200, Tipo AM 112, Baujahr 1969
Motor
Tipo AM 107, wassergekühlter V8 (90 Grad), vorn längs, Bohrung x Hub 88 x 85 mm,
Hubraum 4136 cm³,
Leistung 260 PS bei 5200/min, max. Drehmoment 363 Nm bei 4000/min, Verdichtung 8,5 : 1, zwei Ventile je Brennraum, betätigt über je zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen je Zylinderreihe und Tassenstößel, Motorblock und Zylinderköpfe aus Leichtmetall, fünf Kurbelwellenlager, vier Weber-38-DCNL-5-Vergaser (alternativ vier Weber 40 DCNF), Batteriezündung, Ölinhalt Motor 10 l
Kraftübertragung
Einscheiben- Trockenkupplung, ZF-Fünfgang- Schaltgetriebe (a.W. Borg- Warner-Dreistufen-Automatik), Hinterradantrieb
Karosserie und Fahrwerk
Stahlblechkarosserie auf mit dem Chassis verschweißtem Rohrrahmen, v. doppelte Dreiecksquerlenker, Schraubenfedern, h. Starrachse m. Längslenkern u. Halbelliptikfedern, v./h. Stabi u. Teleskopstoßd., Burman-Kugelumlauflenk. (a. W. ZF-Servolenk.), Scheibenbr., Speichenfelgen 6,50-15 (ab 1970 Leichtmetallf.), Reifen 205 VR-15
Masse und gewichte
Radst. 2640 mm, Spur v./h. 1390/1360 mm, L x B x H 4760 x 1730 x 1360 mm, Gew. 1640 kg, zwei Tanks à 50 l
Fahrleistungen und verbrauch
Vmax 240 km/h, Beschl. 0 bis 100 km/h in 7,5 s, Verbrauch ca. 17 l/100 km
Bauzeit und Stückzahl
1966 bis 1972, 482 Exemplare